Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts: (BAG, Urteil vom 28.04.2021, 4 AZR 229/20)

Die Wirksamkeit einer inhalts- und zeitdynamischen arbeitsvertraglichen Bezugnahmeklausel muss die in Bezug genommen Tarifnormen erkennen lassen. Bei der Bezugnahme auf mehrere Tarifwerke ist dies der Fall, solange die Tarifwerke den gleichen Inhalt haben. Ändern sich die Inhalte der Tarifwerke und lassen sich der Bezugnahmeklausel keine Kollisionsregelung entnehmen, entfällt die Dynamik der Klausel und es entsteht eine statische Bezugnahme auf das letzte gemeinsame Tarifwerk.
Sachverhalt:
Die Arbeitgeberin hatte über ihre Tarifvereinigung (AGVL) bis 2017 gleichlautende Tarifverträge mit ver.di und der Unabhängigen Flugbegleiter Organisation (Ufo) abgeschlossen. Hierzu gehörten u.a. ein Vertrag über die betriebliche Altersversorgung und Vorruhestandsregelung 2002/2003 sowie Vergütungs – und Manteltarifverträge.
Die Arbeitgeberin kündigte die Versorgungstarifverträge 2013 gegenüber beiden Gewerkschaften. Der letzte mit beiden Gewerkschaften geschlossene Manteltarifvertrag (MTV 1b) wurde nicht gekündigt. Dieser bestand also weiterhin normativ fort und beinhaltete eine Bezugnahme auf die „alte Versorgung“. Allerdings schloss die Arbeitgeberin in der Folge nur mit der Ufo nachfolgende MTV ab.
Die Arbeitsverträge der betroffenen Mitarbeitenden enthielten sog. „dynamische Bezugnahmeklauseln“, wie: „der jeweils geltende Tarifvertrag findet Anwendung“.
Die KlägerInnen hatten aufgrund des neuen Versorgungstarifvertrages enorme Verlust hinzunehmen. Sie klagten gegen die Anwendung des neuen, nur mit Ufo geschlossenen Tarifwerks.
Der 4. Senat des BAG gab den KlägerInnen recht:
Das BAG hat entschieden, dass die Wirksamkeit einer dynamischen Bezugnahmeklausel im Arbeitsvertrag voraussetzt, dass die in Bezug genommenen Tarifnormen eindeutig bestimmbar sind.
Dies ist bei der Bezugnahme auf mehrere Tarifwerke nur solange der Fall, wie diese den gleichen Inhalt haben.
Entfällt die Bestimmbarkeit, weil zuvor übereinstimmende Tarifwerke verschiedener Gewerkschaften zu einem späteren Zeitpunkt aufgrund nachfolgender tariflicher Vereinbarungen inhaltlich auseinanderfallen und lässt sich der Bezugnahmeklausel keine Kollisionsregelung entnehmen, führt dies regelmäßig nicht zur Unwirksamkeit der Verweisungsklausel, sondern lediglich zum Wegfall ihrer Dynamik.
Die Bezugnahme ist also auf den letzten „gemeinsamen“ Tarifvertrag gerichtet, denn der „jeweils geltende“ Tarifvertrag ist nicht zwingend der „jeweils neueste.“